Manchmal braucht ein Hype eben 30 Jahre, Enthusiasmus und ein paar Zufälle. Welcome back adidas New York!

Es gibt Erfolgsgeschichten, die nach Bilderbuchmuster funktionieren, auf geschicktem Marketing basieren, mit Hilfe von Topathleten brillieren oder einfach zur richtigen Zeit am richtigen Ort passieren.

Und es gibt Erfolgsgeschichten, die sind so skurril und ungewöhnlich und resultieren aus so vielen Zufällen, über einen so enorm langen Zeitraum, dass es beinahe schon zu absurd klingt, um wahr zu sein. Genügend Stoff für einen Film mit Kultpotential.

Dabei hatte der adidas New York bereits bei seiner Markteinführung 1985 das Zeug zur Lauflegende: schnittiger Shape, betongraues Känguruleder zu asphaltgrauem Mesh, keilförmige EVA-Zwischensohle mit augenfälliger Neuerung – dem als Dellinger Web bezeichneten Gittermuster. Benannt nach dem Entwickler dieser markanten Stoßdämpfungsinnovation, Bill Dellinger, US-Langstreckenläufer und dreifacher Olympiateilnehmer (1956 in Melbourne, 1960 in Rom, 1964 in Tokio). Dazu das Schnellschnürsystem mit den acht TPU-Ringösen.

Dellinger Web plus Ringösen? Das kannte man bereits von den Laufmodellen Oregon 1982 und Marathon 1983. Und der gegenwärtige Laufklassenprimus war der Boston Super von 1984, allerdings ohne Gittermuster und mit nur sechs Ringösen.

Trotz alledem erzielte der New York 1985 als Spezialist für Training und Wettkampf keinen nennenswerten Bekanntheitsgrad. Dafür brauchte es anscheinend einen fast dreißig Jahre andauernden Dornröschenschlaf und ein paar Zufälle.

Zwei Dreistreif-Enthusiasten aus Manchester hörten von einem adidas Fachgeschäft in Argentinien, wo sich angeblich hunderte Raritäten und teils unbekannte Exponate aus den 60ern, 70ern und 80ern bis an die Decke stapeln sollen. Also stellten die beiden ein paar Nachforschungen an, ein Filmteam zusammen und reisten 2014 in einen Vorort von Buenos Aires.

Dort trafen sie auf Carlos Ruiz und seinen Laden, der aussieht wie die Filmkulisse für einen Zeitreisewerbespot in die Siebzigerjahre. Die Funde übertrafen die kühnsten Erwartungen. Einige Modelle wanderten direkt in die heiligen Archive von Herzogenaurach, andere gingen in die Neuauflage. Ein Runner, der alle beim ersten Blick umhaute war der New York.

Während der einzigartige Laden, der mehr einem Museum gleicht, durch den Youtube-Zwölfminüter »Sole searching in South America« von heute auf morgen zur Pilgerstätte für Turnschuhsammler aus aller Welt wurde, präsentiert adidas den New York in neuem Glanz. Technologie des 21. Jahrhunderts trifft den Spirit von 1985. Steingraues Nubukleder an zementgrauem Mesh. Dreistreif und Fersenpatch in Silber. Die EVA-Zwischensohle mit schwarzgrauem Dellinger Web.

Auch wenn es mittlerweile fünf weitere Farbvarianten gibt: Der Original Colorway erinnert unterschwellig an die Häuserschluchten von Manhattan, an Wahrzeichen wie das Chrysler Building an der Lexington Avenue Ecke 42nd Street. Gedanklich sieht man Dustin Hoffman aka Babe Levy als New Yorker Geschichtsstudent im Filmklassiker »Der Marathon Mann« von 1976 an den Docks des Hudson River für den New-York-Marathon trainieren. Okay, genau genommen kam der Film neun Jahre vor dem New York Release in die Kinos.

Unterm Strich ist die Story um den New York wohl der mit Abstand langatmigste Marathonlauf, den je ein Runner zurückgelegt hat: von Herzogenaurach über New York nach Manchester nach Buenos Aires und zurück nach Herzogenaurach. Luftlinie locker 35.000 Kilometer.

Aber so what! Was zählt, ist das Ergebnis. Und das kann sich optisch und historisch sehen lassen – am Fuß der Gegenwart und auf der Zeitschiene.