»Close up and Private«. Die Kunst, als Ukrainer aus Kopenhagen, im Hamburger Kaufmannshaus hip zu sein.

Das Kaufmannshaus in Hamburg. Eine beinahe vergessene, brach liegende Perle hanseatischer Gründerzeit-Architektur mit Kontorhaus-Atmosphäre. In exklusiver Innenstadtlage – zwischen Große Bleichen, Bleichenbrücke und Fleetzugang vom Neuen Wall – residiert hier seit den frühen Neunzigerjahren Tristesse pur.

Shops ohne Relevanz, Krimskrams, Kunsthandwerk, Strickwaren. Einzige Konstante aus Zeiten des Erfolgs ist die Bar am Ende der Passage. Dabei traf sich hier von 1977 bis Mitte der Achtziger die junge Hamburger Clubszene, um in den Katakomben des »Posemuckel« ausgelassen zu feiern. Heute trifft man hier kaum Leute – und unter 60 allemal nicht.

Um so absurder und ungewöhnlicher ist es, dass ausgerechnet hier, der seit 20 Jahren in Kopenhagen lebende Fotograf und Künstler Sergey Nielsen aka Sergei Sviatchenco, zur Vernissage seiner Fashion inspirierten Schaffensreihe »Close up and Private« einlädt.

Der studierte Architekt und Künstler aus Charkow, eine der größten Industriestädte der Ukraine, 2.000 km östlich der Elbbrücken, genießt längst internationalen Ruhm, seine Werke verkaufen sich nicht selten im Zehntausenderbereich. Der Inspirationshybrid aus Surrealismus und Architektur ist in seinen Werken unverkennbar, ob in Acrylgemälden oder den Hochglanzfotos.

Für die Kunstbanausen: Sergey Nielsen ist der Vater von Erik Sviatchenco, bekannt als Profifußballer beim Dänischen FC Midtjylland. Für die Fashion Artworks steht Erik seinem Vater oft Modell.

Apropos Fashion: Erst vor kurzem wurde Sergey Nielsen in seiner Wahlheimat Kopenhagen zum »Bestangezogenen Mann Dänemarks« ernannt. Wow! Das muss man erstmal schaffen, in einem Land, das den Style wie kaum ein anderes in Europa so herrlich unverkrampft und selbstverständlich mehr als nur gepachtet hat.

So wirkte der sympathische Künstler aus der Ferne recht hanseatisch und aus der Nähe sehr skandinavisch. Eine Stilikone in dunkelblauem College-Blazer, tight mit goldenen Knöpfen und steingrauen Patches an den Ellenbogen zum weißen Button-Down-Hemd mit dem so typisch skandinavischen kleinen Kragen und den runden Ecken, zu hanseatisch dezenter Krawatte, rot-blau-grau gestreift. Die beige Chino, unten akkurat skandinavisch gerollt, zum exklusiven Lederschnürer. Ein guter Kurzhaarschnitt, eine unaufdringliche Designerbrille, fertig ist der Fashionist. Einfach perfekt gut angezogen. Weder verkleidet, noch tuntig oder dekadent. So souverän kann guter Style sein.

Nicht minder lässig gekleidet: Jason Jules, freier Creative Direcor aus London, der hier die Laudatio hielt. Jason trug ein klassisches Tweedsakko mit Einstecktuch. So wie es gehört: drei Knöpfe, zwei Seitenschlitze, wenn auch keine Hornknöpfe, aber – who cares! … Unter dem dunkelblauen Rundhalspullover ein Seidentuch in British-Racing-Green mit white Dots, eine unten präzise gerollte Chino zum rahmgenähten Lederschuh, eine Omega-Speedmaster mit Handaufzug am Handgelenk, eine smarte Designerbrille auf der Nase: fertig ist der East-Londoner Topkreative. Dabei auffällig freundlich und sympathisch bescheiden.

Jason Jules hat 2010 für die Designagentur U-Dox gearbeitet. Hier hat er für und mit Dickies das grandiose »Love your Work«-Buch konzipiert. Für das aufwendige, detailierte und liebevoll gestaltete schicke 130-Seiten-Streetstyle-Heritage-Manifest, kam Jason Jules die Idee zu Sergey Nielsen als Fotograf für eine Fotostrecke. Dessen Blog hatte er schon länger verfolgt und so nahm Jason Kontakt auf zu Sergey. Dieser war sofort begeistert von dem Dickies Projekt. In dem Buch stellt Sergey mit einer unverkennbaren Fotostrecke die »1922«-Linie heraus und setzt die aufwendigen Zwischentitel klar und prägnant im 1922-Vintage-Look in Szene. (Das Model auf S. 85 ist übrigens Creative Director Jason Jules himself – als Bauarbeiter in traditionell amerikanischer Arbeitsmontur).

Die beiden Künstler haben bei dem Projekt festgestellt, dass sie die gleichen Interessen haben. Seitdem sind sie gute Freunde. So kam es, dass Jason ein paar Zeilen über Sergey für dessen Ausstellungskatalog von »Close up and Private« schrieb und anlässlich der Ausstellungseröffnung kurzerhand aus London anreiste, um hier vor einer bunten Mischung aus hanseatischem Geldadel und gutsiutierter Kulturprominenz die Eröffnungsrede zu halten.

Im soliden Urban Superior Streetstyle stachen wir als Dickies Markenfans natürlich aus der aufgetakelten Menge der Kunstinteressierten heraus. Trotzdem oder vermutlich so erst recht, hatten wir – fernab des Cremant-Ausschanks und Sekt auf Pfirsichlikör – genügend Spaß und gute Gespräche mit Sergey als auch mit Jason, der uns persönlich eingeladen hatte. Klasse auch das konzeptionell stimmige, skandinavisch unkonventionelle Catering von »Miss Sofie« aus Kopenhagen mit Pølser Hot Dogs und drei Sorten Eis.

Kunstwerke konnten an diesem Abend auch bereits einige vorverkauft werden. Klasse! Hier hat das Kaufmannshaus seinem Namen alle Ehre gemacht. Und wer weiß, vielleicht macht Hamburg dem Kaufmannshaus ja auch bald endlich wieder alle Ehren und erweckt das Kontorhaus mit einem klaren und stilvollen wie relevanten Shop-Konzept zu wohlverdienter Beachtung. Bis dahin, Farvel!