Schon weit vor der Corona-Pandemie gab es das große Markensterben: ob Oldschool-Brand oder Hipstermarke. Monat für Monat las man von Konkurs hier, Pleite da, Bankrott dort. Die Gründe sind dabei ebenso verschieden wie die Lifestylemarken selbst: verschlafene Trends, antiquierte Vertriebssysteme, überholte Produktionswege, verpasste Kommunikationskanäle, obsolete Produkte, veraltete Führungsstrukturen.
Eine Marke, die 1969 gegründet wurde – im Jahr der Mondlandung, als Fernsehen noch ein reines Schwarzweißerlebnis war – und heute noch lässig daherkommt, ist die Wassersportmarke Quiksilver.
Gegründet in Torquay, am südlichsten Zipfel von Australien, 80 Kilometer unterhalb von Melbourne. In einer dieser sagenumwobenen Vorortgaragen. Von Alan Green, der bereits zwei Jahre zuvor ein paar Straßen weiter mit Brian Singer und Doug Warbrick das Surflabel Rip Curl erfand.
Alan Greens Traum: Die perfekte Boardshorts zum Surfen. Denn alles, was es bis dato gab, war entweder schwer wie Blei sobald man damit im Wasser war, löste akuten Juckreiz aus, war unbequem oder sah mies aus.
Kurzerhand lieh er sich von seinem Vater 2500 Dollar und begann, mit Materialien und Designs zu experimentieren. Klares Ziel: Ich bringe die besten Boardshorts ever auf den Markt!
Als Erstes musste ein griffiger Markenname her. Wie so oft im Leben half Kollege Zufall bzw. Alans Frau, die grad einen Roman las, in dem der Begriff »Quecksilber« mit schwer fassbar und leicht veränderbar umschrieben wurde – das beschrieb ziemlich gut Alans Getüftel in der Garage.
Für ein griffiges Logo zeichnete Kumpel John den Berg mit der Welle. Inspiriert von einem japanischen Holzschnitt vom Fuji-Berg und einer Tsunami-Welle. Zack, die Marke Quiksilver war geboren.
Weitaus aufwendiger gestaltete sich die perfekte Boardshorts. Doch nach endlosen Experimenten und Tests mit Neopren, Klettbändern und Metalldruckknöpfen präsentierte man 1973 inmitten der Hippiewelle und des enormen Surfhyps die erste technisch ausgeklügelte Boardshorts für radikale Skills in der Welle. Am Rücken etwas höher geschnitten, aber immer noch tief an den Hüften hängend – die ultimative Kennzeichnung der Quiksilver Boardshorts. Dazu Druckknöpfe statt Kordelzug.
Das Konzept ging auf. Die Surfer aus der Hood waren begeistert. Schnell sprach sich das Ganze von Küste zu Küste weiter und das Geschäft florierte.
1975 holt Green den Surflocal John Law an Bord. Gemeinsam versorgen sie nun ganz Australien mit Quiksilver. 1976 startet der Vertrieb in den USA, 1983 in Japan und 1984 in Europa. Kurz darauf geht die Marke an die Börse.
1988 schließt man mit Topsurfer Tom Carroll erstmals einen Millionenvertrag. Kein Problem für die Marke, die es 2004 zum Milliardenunternehmen gebracht hat und heute ein globales, namhaftes Profisurferteam unterstützt, von Stephanie Gilmore bis Kelly Slater.
Seit 30 Jahren treffen sich die besten Big-Wave-Surfer der Welt zum Eddie Aikau Invitational Surf Contest, kurz »The Eddie«. Das Gedenken an den berühmten Wellenreiter wird von Quiksilver mitorganisiert.
Alan Greens Erfolgsmotto war stets der Marketinglehrbuchklassiker »think global, act local!« Aber ganz so märchenhaft ging es dann doch nicht weiter. Markenmissmanagement, Billigqualität aufgrund Produktionsauslagerungen nach China und Nordkorea und die Auswirkungen der globalen Finanzkrise 2007 forderten ihren Tribut. Es folgte, was dann immer folgt: Manager ohne Surfhintergrund mit Expansionskonzepten für Zielgruppen in Segmenten fernab des Wassersports.
Dem Verlust von Qualität folgt der Verlust von Glaubwürdigkeit und somit von Authentizität. Der Coolnessfaktor sinkt, danach die Nachfrage, dann der Markenwert. Parallel steigen die Schulden. Was bleibt ist die ständige Frage: Was ist wichtiger, Exklusivität oder Wachstum? Es kommt zu Stellenabbau und dem Verkauf des Headquarters im französischen Saint-Jean-de-Luz. 2015 das Insolvenzverfahren. 2017 die Übernahme durch die amerikanische Kapitalgesellschaft Boardriders.
Nichtsdestotrotz und Hand aufs Wassersportlerherz: Auch fünf Jahrzehnte nach Markengründung sind die aktuellen Quiksilver Boardshorts aus recycelten Plastikflaschen immer noch die Nicesten.