45 Jahre Adilette. Wie aus einem belächelten Nassbereichbegleiter ein Komforthipster mit internationaler Street Credibility wurde.

Fußball-Europameisterschaft 1972. Deutschland gewinnt am 18. Juni im Heysel-Stadion in Brüssel 3:0 gegen die Sowjetunion, die damals noch UdSSR heißt und ist Europameister. Die Helden von Belgien sind auch 45 Jahre später noch berühmt: Sepp Maier, Franz Beckenbauer, Gerd Müller, Paul Breitner, Berti Vogts, Uli Hoeneß, Günter Netzer.

Im selben Jahr präsentiert adidas eine Fußballlegende, die es inzwischen locker mit der Berühmtheit unserer Elf von 1972 aufnehmen kann und die Nationalmannschaften seit 45 Jahren auf Schritt und Tritt begleitet: Die Rede ist von der Adilette. Von nun an hatten Badelatschen einen Markennamen und waren aus dem Profifußballsport nicht mehr wegzudenken. Schuld daran: die mittelmäßigen bis miesen Hygienezustände in den Umkleiden und Duschbereichen internationaler Stadien.

Als Experte für Sportschuhe stattete adidas auch die Adilette mit einem komfortabel geformten Fußbett aus. Somit war sie bequem und bot 1a Entspannung nach 90 Minuten Bestleistung im Stollenschuh. Und so kam es, dass die Adilette nach dem eigentlichen Einsatz beim Shampoonieren im Nassbereich – als 2-in-1-Produkte noch Doppeldusch und Duschdas hießen – praktischerweise auch direkt zum Interview oder Mannschaftsfoto getragen wurde und enorme TV-Präsenz bekam.

Die Adilette avancierte vom schnöden Schmutzfußprotektor und Fußpilzpreventor zum unverzichtbaren Accessoire im deutschen Profisport. Und weil nackte Füße vor der Kamera ein unausgesprochenes No-Go sind, tragen die Sportler die Adilette wie selbstverständlich zur weißen Sportsocke. Das Textil-Innenfutter am Spann und die gemusterte Laufsohle sorgen für optimalen Grip.

Seit der WM 1978 in Argentinien, spätestens seit der WM 1982 in Spanien, ist die Adilette Bestandteil jeder Freizeitsporttasche – ob Jugendlicher oder Erwachsener, Grandplatzkicker oder Hallenbadkrauler, Mann oder Frau. So kam es, wie es nicht kommen musste:

Die Adilette wurde zum Unstilobjekt des geschmacksbefreiten Germanen. Getragen zur Dreiviertel- und Siebenachtelhose. Am Strand, auf dem Campingplatz, in der Kneipe, auf dem Sofa – eben überall dort, wo aktiv kein Sport stattfand. Die Adilette verkam zur Asilette. Ein Discountermodell kursierte als Aldilette und Formel-1-Fans schätzen spätestens seit es Dittsche gibt die Schumilette.

Erst als Fußball im neuen Jahrtausend zum kollektiven Happening wird mit Public Viewing, Fantrikottragen und Nationalflaggeschwingen ohne Scham, erhielt die Adilette ihre Rehabilitation. Für die einen ist es Ironie, für andere pure Bequemlichkeit, für manche das perfekte Design.

Der Klassiker von 1972 genießt plötzlich Salonfähigkeit, ist genderunspezifisch formerly known as unisex und wird weltweit von Stilsympathisanten und Sportschuhenthusiasten im Alltag getragen. Aus der Kombination Komfort plus Ironie plus Design wird Kult. Es folgen Kollaborationen und Sondereditionen – von Jeremy Scotts Gel Wings bis hin zur limitierten Black Edition 2011.

Aktuell gibt es neben dem unveränderten Kautschukklassiker in Saphirblau mit weißem Dreistreif sämtliche Farben sowie Modelle mit Kork, mit Plüsch, mit Frottee. Quasi für jeden Anlass. Auf der Hochzeit zum Anzug oder auf dem Dancefloor oder auf der Fashion Show wie Katy Perry in L.A.

Und auch im Sommer 2017 kommt noch einiges Adilettiges, Hipsterettiges ans Tageslicht. Für schnödes Seifen im fensterlosen Nassbereich von Sporthalle und Hotelbad definitiv viel zu schick und schade.