Seit fast fünf Jahrzehnten gibt es Sneakers. Zeit, Bilanz zu ziehen. Die Siebziger sind das Jahrzehnt der Innovationen: spezielle Sportschuhe für entsprechende Profisportarten. Die Achtziger sind das Jahrzehnt der Revolutionen: Weiterentwicklungen und technische Neuerungen für den Profisport und nun auch verstärkt für den Breitensport. Die Neunziger sind das Jahrzehnt der Sportmarken-Imageprägung. Die Zweitausender sind das Jahrzehnt der Produktvielfalt und der Retromodellwelle. Aus dem zweckgebundenen Turnschuh wird das Lifestyle-Objekt Sneaker.
Die Zweitausendzehner sind schon jetzt das Jahrzehnt des Teamworks, der Kollaborationen mit Lifestyle-Marken aus anderen Bereichen, mit Prominenz aus Sport, Film, Musik sowie ein Jahrzehnt der Inspirationen und Traditionen. Immer häufiger stehen regionale Besonderheiten und kulturelle Eigenheiten Pate bei Klassikermodellen für neue Designs, Farben, Materialien. Das gelingt mal mehr, mal weniger gut. Mal besser, mal gar nicht für den Konsumenten erkenntlich oder nachvollziehbar kommuniziert. Hand aufs Schnürschuhträgerherz: Das meiste davon ist Bockmist. Hanebüchen in der Idee, strategisch wie markenkonzeptionell oft nur ein Schuss ins Blaue oder ins Knie.
Doch es gibt auch viele tolle Editionen an coolen Modellen. Editionen, die sofort neugierig machen, in sich rund sind und Geschichten erzählen, die Spaß machen und glaubwürdig erscheinen. Die Bilder im Kopf erzeugen und Wehmut statt Unmut wecken. Denn auch dafür steht dieses Jahrzehnt: Heritage und Authentizität, also Glaubwürdigkeit und gelebte Tradition.
New Balance macht das erneut ganz unaufgeregt mit dem »577 Seaside Pack«. Der Running-Klassiker von 1989 wurde liebevoll neugestaltet. Die zwei Modelle sind eine Hommage an die Anfänge der britischen Strandbadkultur im Viktorianischen Zeitalter um 1900. Benannt nach Königin Victoria, die England von 1837 bis 1901 regierte, war es normalen Arbeitern zu dieser Zeit erstmals vergönnt, Urlaub am Meer zu machen. Bis dahin waren Ausflüge an die Küste ein Privileg der Oberschicht.
Das Seaside Pack ist somit einerseits eine Ode an die Strandbadtradition. Brighton kennt man wohl spätestens seit dem Kultfilm Quadrophenia. Doch wer kennt schon die vielen großartigen Surfküsten und Badeorte Englands wie Torquay, Bournemouth, Weymouth, Swanage, Portsmouth.
Darüber hinaus ist das Seaside Pack auch ein Statement für Gleichberechtigung und das Recht auf Freizeit und Sonnenbaden. Noch heute klassische Relikte des Viktorianischen Zeitalters sind die typischen Seebrücken, bunt gestreifte Rutschen, Karussels sowie gestreifte Liegestühle und Sonnenschirme.
New Balance stammt schließlich von Englands rauer Westküste. Das Headquarter in Flimby liegt zwischen den kleinen Küstenorten Maryport, 4 km nördlich und Whitehaven, 18 km südlich des Firmensitzes. So ist der 577 farblich klar jenen Anfängen der britischen Strandbadkultur gewidmet.
Der 577 Navy mit meerblauem Wildleder zu dunkelgrünem Nylon und orangem Innenfutter. Der 577 Grey mit betongrauem Wildleder zu himmelblauem Nylon und sonnengelbem Innenteil. Hinzu kommen vier originelle, feine Details: Die Einlegesohle ist im Stil eines viktorianischen Liegestuhls gestreift. Auf der Zunge ist außen eine britische Seebrücke abgebildet, innen das Motto zum Seaside Pack: »I do like to be beside the Seaside«. Als Fersenpatch gibt es statt eingesticktem Markenschriftzug, zur Untermauerung der Fertigung im heimatlichen Küstenort Flimby, einen gestickten Union Jack.
Unterm Strich mein Sommersneaker 2014. Das 577 Seaside Pack weckt sofort Erinnerungen und Sehnsüchte an Wassersport, Baden, Sandburgbauen, Softeisbuden, Strandspaziergänge, Sonnenuntergänge, durch Dünen springen, auf Seebrücken rumklettern. Oder einfach nur irgendwo im Großstadtdschungel mit gekreuzten Beinen auf einer Mauer hocken, auf den Sneaker schauen, entspannt durchatmen und denken: »I do like to be beside the Seaside«.