Seit 1920 gibt es adidas. Offiziell als Marke eingetragen seit 1949. Gefertigt wurden Schuhe und Trikots für Profisportler. Von Leichtathletik bis Mannschaftssport. In den Siebzigern kommt der Freizeitsport hinzu. Sukzessiv erweitern immer mehr Sportarten das Drei-Streifen-Sportartikel-Portfolio. Anfang der Achtziger zieht es die fränkische Marke auch neben den Sportplatz – raus auf die Straße. Erste Testimonials: auf dem Rasen Franz Beckenbauer, auf dem Asphalt Run DMC.
1996 löst der neue Kreativdirektor den Beginn einer neuer Ära aus: Michael Michalsky konzipiert eine global ausgerichtete Markenstruktur. Mit 200 Designern kombiniert er die Bereiche Mode, Marke, Musik. Erstes Husarenstück: das Premiumlabel Y3 mit Japans exzentrischem High Fashion Designer Yohji Yamamoto. Parallel entstehen zur Untermauerung der Markenauthentizität erste internationale Kooperationen mit Missy Elliott und Stella McCartney.
Sportartikelhersteller vs. Lifestylemarke. Es folgt die Unterteilung in zwei elementare Bereiche: adidas Originals mit authentischer, urbaner Fashion und dem Trefoil-Logo. adidas Performance mit klassischer Sportausstattung von Vorstadtfußball bis Segway-Polo und dem Drei-Streifen-Logo. Ab 2006 erfindet sich die Marke auch ohne Michalsky stets neu. Mit weiteren Sublabels, Innovationen, Collaborationen. Von Star Wars bis Swarovski. Von Vespa bis Porsche. Von Sennheiser bis Undefeated.
Einer der ersten Partner für die Serie Originals by Originals, kurz »ObyO«, ist Tokios Streetwear-Designer Kazuki Kuraishi, kurz KZK. Aktuell haben Kickerlegende David Beckham und der plüschvernarrte Designbuntspecht Jeremy Scott eine führende Rolle übernommen. Einerseits skurril und spannend. Andererseits fragt man sich, vorzugsweise bei Jeremy Scott, was kann und soll eine Collaboration bewirken und interessanter: was ist die Fokussierung der Marke? Je abwegiger oder exzentrischer der Partner, desto PR-relevanter? Ist heute am Wichtigsten, wer, was, zuerst, mit wem macht? Was ist mit »weniger ist mehr«? Womöglich Neunzigerdenke.
Im Frühjahr 2010 launcht adidas die Kollektion A.039, namentlich abgeleitet vom Originals-Blau des HKS-Farbfächers. Die Kollektion ist noch clubtauglicher, noch lifestyliger, noch Fashion-affiner und erwachsener: mit hochwertigeren Materialien, modischen Schnitten, dezentem Branding. A.039 heißt inzwischen Blue, ist aber nicht zwangsläufig blau. Im Gegensatz zur unterschätzten Denim-Kollektion, die seit 2011 unter der Maxime »We make Denim for Sneakers« die Produktpalette perfektioniert. adidas und Denim – das erscheint vielen weniger logisch als ein High Top mit Strass oder Plastikknochen – oder irgendwann vielleicht komplett aus Lakritz.
Für Öko-Addicts, Frutarier und Freunde der Nachhaltigkeit gibt es die organische, komplett recycelte Kollektion namens Grün. Der Name bezieht sich auf die Fertigung, nicht auf die Farbe. Auch hier war adidas früh aktiv, lange bevor sämtliche Möchtegern-Lifstylemarken auf den Nachhaltigkeitsinterregio aufgesprungen sind. Seit 2011 gibt es auch noch Slvr. Diese exklusive Linie verzichtet auf Branding und setzt auf schlichte Eleganz und Catwalk-Kompatibilität. Mit Neo haben Teenager jetzt eine eigene Linie. Aktuell gibt es sogar eine Baby-Kollektion.
Ein wenig erinnert das an die Autoindustrie: Spezialisierung ist out. Vom Formel-1-Boliden, über SUV, bis zur Elektro-Citygurke wird die komplette Range angeboten. Dort geht Zielgruppenerschließung vor Glaubwürdigkeit. Im Lifestyle-Business ist dies fatal, denn Authentizität ist oberstes Gebot und eine der hart erarbeiteten adidas Stärken. Teenagersubmarke? Baby-Kollektion? Unter dem Aspekt der Markenführung eher obskur. Hier stellt sich die Frage: Wo soll die Reise langfristig hingehen? Und interessanter: Ist das alles geplant oder ist man einfach losgefahren und gibt kräftig Gas, solange der Tank voll ist und der Motor schnurrt?
Einer meiner Favourites ist die Collaboration mit der kanadischen Outdoormarke RANSOM, deren Schuhmodelle den Spirit und Style von Berg- und Wassersport fernab der Klippen und Hänge auf den metropolen Apshalt übertragen. Ebenfalls vom Outdoorsport kommend und an sich schon immer Extremsport und Lifestyle kombinierend, hat sich das Segment Skateboarding runderneuert: weg von Kids in Baggy Pants und kastenförmigen Big-Print-Shirts, hin zu Skinny Chinos und tighten Tees mit artifiziellen Prints. Bei den Skateshoes setzt man verstärkt auf enge Zusammenarbeit mit internationalen Rollbrett-Pros wie Silas Baxter Neal oder Dennis Busenitz.
Und dann ist da noch die bei Sneakerheads schwer begehrte Consortium-Serie mit höchster Limitierung, deren Modelle weltweit nur in einer handvoll ausgewählter Boutiquen zu bekommen sind. Ob der »München« made in Germany, das »Tabula Rasa«-Pack mit fünf Modellen in Grau oder aktuell der ZX 500 »Quote«, farblich inspiriert vom Berliner Olympiastadion, gestaltet und benamst nach einem Ostberliner Hardcore-Sammler der ersten Stunde.
Man kann nicht sagen, dass in Herzogenaurach nichts passiert. Im Gegenteil, es passiert irgendwie … zu viel. Es wird produziert, optimiert, kollaboriert, innovatiert und aktiviert. Wer kann oder soll da noch den Überblick behalten, differenzieren, geschweige denn kaufen oder – als Inhaber einer Lifestyle-Boutique – selektieren und anbieten können.
Wie bei vielem im Leben, muss man ja nicht alles mögen, glorifizieren oder haben wollen. Ich mag beispielsweise das T-Shirt aus der Skateboarding-Sommerkollektion und ich habe es auch schon: das mit dem holzig skurrilen Baumstamm-Trefoil.
Ob Straße, Laufsteg, Tartanbahn: Originals ist und bleibt spannend!