1984 offerierte Nena naiv optional »Gib mir die Hand, ich bau dir ein Schloss aus Sand«. 15 Jahre später, im Sommer 1999, erinnert Jan Delay noch einmal an die Vakanz desselben Symbols inniger Zweisamkeit. Doch das ist Schnee von gestern. Beim Schloss der Liebe bevorzugen Pärchen solides Eisen statt unverfestigtes Sedimentgestein. Die Rede ist von Liebesschlössern.
Nein, keine historischen Gemäuer in ländlicher Lage für gelegentlichen Ringelpietz mit Andaddeln. Kein Genitalschmuck. Liebesschlösser sind das romantische, analoge Attribut, mit dem Verliebte ihre ewige Liebe symbolisieren: indem sie ein kleines Vorhängeschloss mit ihren Namen gravieren lassen und an einer bestimmten Brücke der Stadt, für jedermann sichtbar am Geländer anbringen und nach dem Treueschwur den Schlüssel zu ihren Herzen in das Gewässer werfen.
Huhn oder Ei. Von ähnlich philosophischer Interessanz ist die Frage: Schlüsseldienst oder Vorhängeschloss? Was war eher da – und woher stammt der längst europaweit verbreitete Trend, der die Zunft der schusternden Schlüsselmeister seit ein paar Jahren im wahrsten Sinne des Wortes gravierend boomen lässt. Wer mit wachsamem Blick um die Außenalster joggt, spaziert oder radelt, hat dieses Phänomen längst erspäht: An der Schwanenwik-Brücke verzieren geschätzt 250-300 bunte Minischlösser das gusseiserne Brückengeländer.
Das Ganze ist also keine putzige Ambient-Media-Aktion einer Werbeagentur mit kommerziell profanem Abverkaufshintergrund. Im Gegenteil. Das Ritual mit den Schlössern ist eine aus Florenz stammende Tradition. Initiiert von Absolventen einer medizinischen Fakultät anlässlich ihres Abschlusses. Auf die Weise wollten sie das Datum ihres bedeutenden Tages symbolisch festhalten und öffentlich zeigen.
Schnell wurde die Idee zweckentfremdet, von Liebespaaren auf der ganzen Welt. Vorreiter in Deutschland ist Köln. An der Hohenzollernbrücke prangen seit 2008 mehr als Tausend dieser kleinen Schlösser. Hier in Hamburg nutzt man alternativ zur Schwanenwik die Michaelisbrücke.
Auch international beschließt man seine Liebe: an der Pont des Arts Paris, Tower Bridge London, Ponte Milvio Rom oder an der Bryggebro in Kopenhagen. Und was wäre die Liebe ohne Netz: Pixellover und Zwonullromantiker schenken sich für 2,95 Euro virtuelle Liebesschlösser und geloben digitale, ewige Liebe.
Für meinen Geschmack so unromantisch wie die Frage, ob das eigentlich so gut ist für Flora und Fauna, dass hunderte Eisenschlüssel schlummernd vor sich hinrosten. Aber wer denkt schon so uncool rational, wenn er verliebt ist.
Mögen die Schlüssel rosten, nicht die Liebe. Daumen gedrückt. Oder mit den Worten Arthur Bakers, 1989: »Love is the message and the message is love«.