Vorpremiere von »Werner – Eiskalt«. Eine Reise in die Achtziger.

Zugegeben, die Erwartungen waren niedrig. Das ist gut, denn auf die Weise wird man in der Regel am wenigsten enttäuscht. Als 1990 »Werner – Beinhart« in die Kinos kam, waren wir jung genug, um uns gebührend auf die Schenkel zu schlagen bei Dauerkalauerei, Sprüchegeklopfe und Fäkalhumor mit norddeutschem Slang. So etwas gab es vorher noch nicht. Und auch der Mix mit Brösel (alias Werner-Erfinder Rötger Feldmann) himself in Realbildsequenzen, das war damals neu und anders und witzig.

Als sechs Jahre später (1996) »Werner – Das muss Kesseln« in die Kinos kam, waren wir wohl schon zu cool für so was. Und auch die nächsten beiden Streifen empfanden wir lediglich als ein weiteres laues Aufköcheln einer längst zuende erzählten Geschichte: ob (1999) »Werner – volles Rooäää!!!« oder (2003) »Werner – Gekotzt wird später«.

Jetzt, sieben Jahre nach dem letzten Werner, 21 Jahre nach dem ersten, haben wir uns zu einem neuen Versuch hinreißen und einladen lassen. Warum nicht. Es gibt Schlimmeres an einem Montagabend. Um 19.40 Uhr tobte am Cinemaxx Dammtor bereits der Bär. Vor dem Kino parkten Harleys sämtlicher Modellreihen. VW-Phaeton-Limousinen mit Wolfsburger Kennzeichen standen bis vor die Drehtür, die seit sechs Wochen keine mehr ist. Der rote Teppich war gut gefüllt und genügend Fotografen säumten den Eingangsbereich.

Im Foyer war es rappeldickevoll: Auffällig viele junge Damen mit gemachten Brüsten oder pornös aufgetakelt. Auffällig viele Ü-50-Männer mit feister Wampe, Schnurrbart und / oder Lederweste sowie Karottenjeans in Marmoroptik. Kerle, gefangen in den Achtzigern.

Unter den Gästen gesehen: Die Wildecker Herzbuben (komplett in Schwarz gekleidet), Lokalrapper Das Bo (irgendwie auf jedem Event), Schauspieler Michael Lott (Sonntag noch der stieselige Platzwart und Mörder im »Tatort«. Großartiger Typ, habe 2004 mit ihm zusammen bei »Deich-TV« gearbeitet), Robert Missler (Synchronstimme von Grobi, Jeff Dunham und all seinen Figuren, Dougs Bruder Danny Heffernan, bei »King of Queens«. Supernetter Typ, habe mit ihm mehrfach beim RMS-Texter-Workshop zusammen gearbeitet). Im Saal bei der Platzsuche kam uns Kalle Schwensen entgegen und vormals »N3 Talkshow« jetzt »Land & Liebe«-Moderator Yared Dibaba schnackte draußen mit Journalisten op Platt.

Die 1.000 Sitzplätze in Saal 1 (genau genommen sind es nur 968) waren komplett belegt. Gefühlt mit 75% Leuten, die zuletzt bei »Werner – Beinhart« im Kino waren. Klare Indizien: aufgeregtes hin und hertigern, desorientertes Plätzesuchen, wildes Gejohle quer über die Sitzreihen, wichtiges Telefonieren im Stehen, Bölkstoff-Bügelverschlussgeploppe im Sekundentakt, harndrangbedingtes unruhiges Aus-den-Sitzen-Geschlunze wie selten im Kino.

Doch die Stimmung war gut. Der Film begann gegen 20.30 Uhr nach kurzer Anmoderation eines wohlgenährten Marketingmannes der Produktionsfirma Constantin Film. Mit Kölner Mundart versuchte der Mann im schwarzen Anzug mit einem kleinen Witzchen auf Kosten der Wildecker Herzbuben das Publikum zu knacken. Einen oben drauf wollte er sich bei der bodenständigen Crowd mit einer St. Pauli Millerntor-Anekdote anbiedern. … Knieschuss. Meine Vermutung: Hier saßen locker 90% treue HSV-Gefolgsleute, daher blieb die Resonanz eher verhalten.

Zum Film: Die ersten 15 Minuten sind super. Das schier endlos wirkende Rennen zwischen Werner und Erzrivale Holgi von der Kinderkarre bis zum Jugendalter: groooooßartig! Danach wird’s langatmig und zäh. Viele alte aufgekochte Witzchen. Kurzes Highlight ist der Pömpelvertreter bei Meister Röhrich mit Reimen wie: »Am Kreml steht ein Russe und pömpelt seine Tusse«. Die Realbild-Sequenzen sind irgendwie noch genau so oldschool wie eh und je. Und Brösel selber – so sympathisch er auch ist – hat immer noch genau so wenig schauspieltalent wie damals. Seine knappen Texte wirken gestelzt und auswendig gelernt. Irgendwie übel. Aber irgendwie gehört das bei ihm wohl dazu.

Die Leute haben an den richtigen Stellen gejohlt und gelacht. Nach dem 98-Minuten-Klamauk mit kleiner Manga-Stichelei erklomm Brösel – und nacheinander alle aus dem Team – die Bühne, herrlich unprofessionell und dadurch herrlich authentisch. Dann der unsympathische Berben-Sohn, der den Film produziert hat. Auffällig nervös tänzelte er beim Reden von einem Bein auf das andere. Harndrang oder Discoschnupfen? Man weiß es nicht.

Der wirklich einzige, der professionell und unnervös frei reden kann, ist Brösels Bruder Andi, bekannt als legendäre Stimme von Meister Röhrich. Seine spontane Kostprobe im Röhrich-Jargon – zum Totlachen. Allein für diese 45 Sekunden hat sich der Kinobesuch gelohnt. Final gratuliert Brösel seiner Nichte zum Geburtstag. Die 16-Jährige spricht in »Werner – Eiskalt« den jungen Werner. Der ganze Saal stimmt »Happy Birthday« an – eine fast familiäre Stimmung auf einer fast familiären Veranstaltung.

Unterm Strich: Ein herrlich homogener Mix aus Harley Chapter und Heidepark Soltau und Achtziger Jahre reloaded. Hart, aber herzlich. Vermutlich am besten zu ertragen mit ein, zwei Humpen Bölkstoff im Kopp. Mit Werners Worten: »Hau wech die Scheiße!«