Alles begann mit einem Franken namens Levi Strauss, den es 1847 ins kalifornische San Francisco zog. Der gelernte Stoffhändler entwickelte für die örtlichen Goldgräber eine Arbeitshose aus blauem Denimstoff. Gemeinsam mit Schneider Jacob Davis verstärkten sie die Nähte mit Nieten. Im Mai 1873 folgte das Patent für die Nietenhose. Der Rest ist Geschichte.
Knapp 120 Jahre galt Levi’s als der Inbegriff der Jeans. Allein das Klassikermodell 501 bescherte der Marke jahrzehntelange Umsatzendorphinausschüttungen. Bis 1996. Leider verschlief Levi’s diverse Modetrends und der gnadenlos gewordene Konkurrenzmarkt teilte sich in zwei radikal divergierende Gruppierungen: Billigmarken und -Ware auf der einen, Designerprodukte auf der anderen Seite. Das holländische Jeansimperium G-Star revolutionierte zunächst den europäischen Markt und gilt heute führend in Sachen Jeanstrends. Und plötzlich waren da all die skandinavischen Brands: Nudie, ACNE, Dr. Denim, WeSC. Die Schweden und Dänen machten einfache Kleidung zu unverzichtbaren Basics.
Derweil erwarb die 1889 in Kansas gegründete US-Jeansmarke Lee die alten Original-Webstühle von Levi’s und fertigte fortan und in kleiner feiner Auflage, eine neue, aufwendige wie hochwertige Jeansqualität: Japan Denim. 11 bis 14,5 Unzen schwere Denims. Von Raw bis Used. Von Skinny bis Loose-Fit. Mit Selvage-Webkante und in sämtlichen Waschungen: gesteinigt, gebürstet, gesandstrahlt, gewachst, gebacken. Im Preis gern fern der 200 Euro.
Ab diesem Zeitpunkt hießen Jeans auch nicht mehr Jeans, man sprach nur noch von Denim. Premiummarken schossen aus dem Boden wie Waldpilze: 7 For All Mankind, Edwin, Atelier la Durance, PRPS, Bleu de Paname. Wo es früher drei bis fünf US-Brands gab, teilen sich heute weltweit mehrere hundert Denimbrands den hart umkämpften »blauen Markt«.
Längst gibt es diverse limitierte Sneaker aus Denim. Ob NIKE Dunk Hi Premium-Denim oder adidas Jeremy Scott JS Wings Denim oder VANS Era Denim. Irgendwie spannend und witzig. Doch witzig findet sich in meinen Wortschatz nicht, wenn es um Kleidung geht. Denim gehört an die Beine.
Ambivalent bin ich beim Jeanshemd. In den Siebzigern, Synonym für Lässigkeit. Lange Zeit besaß ich ein recht bauchig geschnittenes, riesiges Originalhemd meines Vaters: ein Levi’s Hemd, noch mit dem kleinen orangen Label. In den künstlichen Achtzigern war das authentische Jeanshemd out. Erst Anfang der Neunziger sah man es wieder. Ich erinnere mich an mein derbes Mason’s mit den braunen Perlmuttknöpfen. Mitte der Neunziger dann wieder Funkstille.
10 Jahre später, 2006, tauchten wieder vereinzelte Exemplare auf. Tight geschnitten, oft von G-Star. Stylefans der alten Schule griffen zum Wrangler Modell, das Stilikone Steve McQueen Ende der Sechziger trug: das mit den schräg zulaufenden Taschen und den weißen Perlmuttknöpfen. Wrangler promotete das Hemd sogar als »das Steve McQueen Jeanshemd« mit einem Umkarton im Vintage-Look. In dem Bildband Steve McQueen – 2004 im TASCHEN-Verlag erschienen – kann man das feine Teil auf Seite 108 sowie auf fünf bis zehn weiteren Fotoseiten bestaunen. Auch andere Helden und Rebellen der Sechziger trugen Jeanshemd: James Dean, Elvis Presley, Marlon Brando.
Jetzt ist es wieder soweit. 2012 ist nicht nur das Jahr des Wasserdrachens. Es scheint auch »the return of the Jeanshemd« zu werden. Derzeit gibt es keine coole Marke, die kein Denimshirt in der letzten oder kommenden Kollektion an den Mann zu bringen gedenkt. Penfield, Wood Wood, Denham, ACNE, Filippa K, Paul Smith, Norse Projects, Libertine-Libertine, Soulland. Das Jeanshemd ist schwerer angesagt als je zuvor.
Spontan habe ich mich für das adidas Originals aus der Blue Kollektion entschieden: schmal geschnitten, 6,5 Unzen leichter, weicher Denimstoff – eben keins der vielen unförmigen, schweren Kettenhemden. Schlicht und stylish, mit einer Rückenpasse aus Chambray-Baumwolle mit fein gestreiftem blauen Schuss. Gibt’s in Hamburg, inklusive Fachberatung, Anprobe und Musik zum Fußwippen, bei Matt und Till von Cream sowie im adidas Originals Store Schanze bei Philip und Team. Lauffaule, Winterschläfer, mutistisch Veranlagte, Paketfetischisten und an den Rechner gefesselte Zwonuller scrollen bequem im Frontlineshop.
Nice to know: Das Hemd fällt mal locker eine Nummer größer aus als angegeben. Und hier schließt sich der Kreis: Größe S bei einem Hemd? Das hatte ich zuletzt als Teenager – als mir mein Vater Mitte der Achtziger sein riesiges Levi’s Hemd schenkte.