Was nützen die tollsten Sneaker, wenn die scheußlichsten Outdoormonate vor einem liegen. Im Hinblick auf die graue Jahreszeit November bis April hatte ich mir einen New Balance Klassiker aus der Sommerkollektion 2012 zur Seite gelegt: den M 577 AIT, basaltgraues Mesh an holzkohlegrauem Suede. Als kultivierter Kontrast dazu das frische Innenfutter – ein Pastellhybrid aus Minze und Waldmeister. Zur Erinnerung: Der Originalstyle des Running-Klassikers erschien 1989 in marineblauem Mesh mit grauem Wildleder.
Der generelle Aufbau des Laufwunders ist auch 23 Jahre nach der Markteinführung nahezu unverändert. Der 577 ist eine dynamische Weiterführung des Klassikers 574, technisch ausgereift und im Retrodesign der frühen Achtzigerjahre. Konkret heißt das: Der Schnitt am Einstieg ist etwas weiter und tiefer und gibt dem Fuß mehr Raum. Dazu die profilierte Laufsohle, eine hohe Mittelsohle und das seinerzeit revolutionäre und heute bewährte ENCAP-Dämpfungssystem – für beste Stabilität und großartigen Lauf- bzw. Chillkomfort bei ausgedehnten Asphaltausflügen, Dancefloormarathons oder extensiven Long-Distance-Catwalk-Einheiten.
Beim entspannten Rumlümmeln und Fußwippen bemerkt der feine Beobachter eine Eigenheit im Auf und Ab des Spanns: Die Zunge ist deutlich kürzer als bei anderen Sneakern. Beim »Botschafter des Komforts«, dem New Balance 1500 beispielsweise, ist die Zunge viel länger. Beim M 577 schließt sie optisch mit dem vorletzten Senkelloch ab. Unter optischen Gründen und Aspekten des Komforts nicht irrelevant.
Doch ein wesentliches Merkmal der aktuellen 577 Modelle ist so erst auf den zweiten Blick zu sehen: Das Zungenlogo mit dem Union Jack und dem Qualitätsmerkmal »Made in England«.
Denn auch nach 107 Jahren Traditionsgeschichte und der Entwicklung von einer Bostoner Orthopädiewerkstatt zum Laufsportausstatter und spätestens seit den Achtzigerjahren zum Weltkonzern, stehen im Hause New Balance nach wie vor drei Dinge im Vordergrund: Authentizität der Marke, Qualität der Modelle, Kompetenz der Mitarbeiter, kurz: Made in England.
Seit August 1982 produziert New Balance im eigenen Werk, im Nordwesten von England: an der Küste von Workington, in Flimby. Gesteuert von der Europazentrale in Warrington, 200 Kilometer südlich der beiden Produktionsstätten. Links und rechts flankiert von den Metropolen Liverpool und Manchester. Jeweils eine halbe Autostunde entfernt.
Apropos: Seit Beginn des Jahres 2013 hat es hier im hohen Norden alias Hamburg noch nicht einen Tag nicht geregnet. Holzkohlegrauer M 577 hin oder her: Bei dem Dreckswetter bin ich weit davon entfernt, den guten Sneaker in Schneematsch und Rollsplit einzuweihen. Nun lag er so viele Wochen wohlbehütet und kartoniert im Trockenen, da kommt es auf ein paar Tage mehr auch nicht an.
Nice to know: Aktuell gibt es den 577 in einer polierten, schwarzen Glattlederedition mit pinkem Inlay zu pinker Sohle – eine Kollaboration mit Staple Design namens Black Pigeon. Im Extremkontrast dazu präsentiert New Balance anlässlich »30 Jahre made in Flimby« das Farmer’s Market Pack mit zwei Styles im rustikalen Landlord-Look: gewachstes Leinen plus englische Baumwolle, in Navy/Brown oder Olive/Green. Inspiriert vom traditionellen Farmer’s Market im ländlichen Cumbria, 70 Kilometer östlich von Flimby. Und für Frühjahr/Sommer 2013 kündigt sich bereits das Country Fair Pack an, zwei Wildlerunimodelle – einmal in Schlumpfblau, einmal in Zinnoberrot.
Stilistisch alles nicht meins. Für den Messemarathon auf der Bright und Bread & Butter Berlin steht mein M 577 AIT standby. Um es mit Depeche Mode aus dem Jahr 1983 zu sagen: Get the Balance right.