Hamburg ist Kaffeehochburg. War es schon immer. Das liegt vor allem daran, dass der Hamburger Hafen einer der wichtigsten Umschlagplätze Europas ist. Auch wenn es um die heißbegehrten Aromabohnen aus Afrika und Südamerika geht. Rund 1,2 Millionen Tonnen Rohkaffee kommen Jahr für Jahr auf dem Seeweg in die Hansestadt. Wow! Das sind rund 56.000 Container. Die Bohnen werden hier geröstet, veredelt und überwiegend in die europäischen Nachbarländer weiterverkauft.
Allein in Deutschland trinken 87 % der Erwachsenen täglich Kaffee. Gekocht und getrunken wird überwiegend solider Filterkaffee, überwiegend zuhause. Früher nahmen ihn unsere Väter in Thermoskannen mit zur Arbeit. Denn »Coffee to Go« gab es erst in den Neunzigern und Kaffeemaschinen oder gar Vollautomaten in Firmen ebenfalls erst weit nach Ende der Achtziger.
Wie existenziell Kaffee ist, zeigt das Experimentieren im Zweiten Weltkrieg, als man aus der Not heraus alles röstete, was nicht niet- und nagelfest war: Gerste, Malz, Roggen, Bucheckern, Lupinen, Hagebutten. Diesen Kaffeeersatz nannte man Mukkefug, abgeleitet aus dem Französischen von Mocca faux, was soviel bedeutet wie schlechter Kaffee.
Größte Hamburger Traditionsmarke des klassischen Filterkaffees ist Tchibo, die 1955 ihre erste Filiale in Hamburg eröffneten. Der Bremer Konkurrent Eduscho wurde 1997 von Tchibo heiß geschluckt. Hamburgs dritter im Bunde ist J.J. Darboven, Familienunternehmen seit 1866. Im Laufe der Achtziger schwappte die italienische Lässigkeit in Zubereitung und Zeremonie nach Deutschland. Dicht gefolgt von der amerikanischen Unart, Kaffee im Gehen zu trinken, noch dazu aus Pappbechern – in Italien, bzw. für echte Italiener, nach wie vor grotesk und undenkbar.
Starbucks aus USA, Balzac aus Hamburg und eine Armada an Franchise-Bohnisten verbreiten sich seit Ende der Neunziger wie die Zwergkaninchen. Der bittere Wachmacher wird zum Prestigeobjekt. Wer unterwegs trinkt, ist busy und ein Player. Becherlogo und Bechergröße demonstrieren das Wohlstandsniveau: 0,2-l-Becher vom Normalobäcker versus 0-5-l-Gallone vom Premiumwohlfühlröster.
Kein Lifestyle-Unternehmen und keine Kreativagentur ohne Schweizer Jura-Vollautomat. Die Diva des neuen Jahrtausends fragt nicht, was sie für dich tun kann – sie sagt dir klipp und klar, was du zunächst für sie tun musst. Nämlich mindestens den Trester leeren, das Wasser auffüllen, Bohnen nachlegen, einen Reinigungsvorgang starten oder warten, bis der Milchschäumer auf Temperatur ist. Moderne Schikane. Der Kaffeejunkie wird tagtäglich von einer Maschine gedisst und gepiesackt. Zudem kostet die Zwansgentschleunigung – zähes Warten auf ein unter martialischem Lärm herauströpfelndes Schlückchen Kaffeeextrakt – Geduld und Zeit.
Für eine ernst zu nehmende Espressomaschine, neu oder gebraucht, lohnt ein Besuch bei Kaffeeraum in Alsterdorf oder Espresso Tecnica in Altona.
Schneller geht es natürlich mit Pads und Patronen, aber dieses Convenience-Teufelszeugs mit künstlichem Aroma und viel Plastikmüll wäre ein eigenes Thema. Meins ist es nicht. Ich bevorzuge nach wie vor die klassische und unspektakuläre Bialetti-Espressokanne, die außerhalb Deutschlands richtigerweise Moka Express heißt.
Mit dem Aluminiumsechskantwachturm kann ich jeden Kaffee kochen, den ich will und muss mich nicht von pseudowissenschaftlich inspirierten Fernstudium-Baristas in Schürzen belehren lassen, die einen an jeder x-beliebigen Kaffeekettenkasse abschätzig mustern wie sadistische Gymnasialphysiklehrer, denen man für solch einen Blick damals direkt eine Kartoffel in den Volvo-Auspuff gestopft hätte.
Auch bei der Wahl des Espressokaffees scheiden sich die Geister und ebenso die Discounter: bei Rewe gibt’s Lavazza, Budni setzt auf Illy, Netto auf Segafredo. Da greif ich erst recht zu Kimbo aus dem Fachhandel. Und als Spanienfan bevorzuge ich den Jurado aus Alicante. Auch freu ich mich über Mitbringsel aus Italiens Kaffeestadt Triest, beispielsweise über ein Päckchen San Giusto.
Generell mach ich da keine Wissenschaft oder Glaubensfrage draus. Auch der portugiesische Schanzengalao hat seine Vorzüge: er ist ratzfatz fertig, preiswert und schmeckt.
Wer es geschmacklich ernsthaft wissen will, geht zu Elbgold, chillt bei Black Delight oder besucht Josh im Bacana. Oder einfach mal rüber in die Speicherstadt Kaffeerösterei und ein halbes Pfund »Quarteerslüüt-Mischung« für Tohus mitnehmen. Bohn‘ Appetit!