Auf dem Bolzplatz dribbelte ich in den schwarz-gelben Jupp Heynckes Buffern von Puma. Im Winter in dem schwarz-weißen Hartplatzmodell M&S Berti Vogts, M&S stand für »Matsch und Schnee«. In der Turnhalle sprintete, sprang und kletterte ich im kobaltblauen Suede Classic. Als mit Björn Borg Tennis hip wurde, wechselte ich zu adidas. Auf dem Spielfeld Wilhelm Bungert mit blau-rot-blauen Streifen, auf dem Schulhof Trimm-Trab, royalblaues Veloursleder, babyblaue Streifen.
1984 schlüpfte mein jüngerer Bruder in etwas völlig Neues: KangaROOS, Modell Full Court Mid in Weiß-Rot. Das Besondere ist die kleine Tasche am Schuh. So erklärte sich uns schnell der Name: der Turnschuh mit dem Kängurubeutel. Dieses Attribut wurde in der Markenkommunikation ausgereizt. Andererseits wussten wir weder, was man da rein tun könnte, noch dass KangaROOS aus den USA kam und nicht – wie der Name suggeriert – aus Australien. Ende der Siebzigerjahre in St. Louis gegründet von einem Profibasketballspieler namens Bob Gamm. Der Durchbruch gelang 1980, als Bill Rogers in dem Laufschuhmodell Combat den Boston City Marathon gewinnt.
Trotz internationaler Spitzensporterfolge und beträchtlicher Abverkäufe gelang nie eine wirkliche Akzeptanz in der europäischen Sneakerszene. Irgendwie fehlte eine kommunizierte Heritage, es fehlten Stars, mit denen man sich auch hier in Deutschland identifizieren konnte. Absurd wurde es als man mit Plakaten warb, auf denen ein Kondom aus der Minitasche hervorlugte. Das wirkte bemüht, anbiedernd. Spätestens als Uwe Ochsenknecht Anfang der Neunziger im Kinowerbespot am Klavier saß und in KangaROOS lässig die Pedale bediente, war es vorbei mit der Street Credibility. Wer sollte denn eigentlich die Zielgruppe sein? Wen wollte man ansprechen? Für mich waren das Marketingfehler. Auch die Designs und Modelle waren nicht wirklich frisch und es wurde still um die Marke.
Ein Masterlizenzvertrag macht es möglich, dass im pfälzischen Pirmasens, unabhängig von den USA, eigene Designs für den europäischen Markt konzipiert werden können. Doch erst 2011 kommt Sprungkraft in das Känguru. Neue Styles. Neue Designs. Und nun die clevere Collaboration mit dem Amsterdamer Concept-Store PATTA, seit 2004 bekannt und international begehrt für feine Collaborationen, limitierte Premium-Sneaker und T-Shirts mit dem PATTA-Schriftzug.
Das lange Warten hat sich also gelohnt. Mit den Street-Hiking-Hybridmodellen Woodhollow (in Oliv und Bordeaux) und K2 (in Beige-Oliv) ist KangaROOS erstmals Gesprächsthema bei Sneakerheads und Fashionaddicts. Das kommt der Marke zugute als auch den neuen und weiterentwickelten ROOS Modellen aus dem Designatelier Pirmasens: ob Erase, Chieftain, Primo, Lord Mid.
Die Zusammenarbeit mit Guillaume Schmidt und den Brüdern Edson und Timothy Sabajo von PATTA ist ein zuversichtlicher Schritt nach vorn, Richtung Style. Schöne Idee auch mit dem Victorinox-Taschenmesser in der Minitasche der schicken Outdoormodelle. Glückwunsch an das Designteam! Und das sage ich nicht nur, weil ich Philipp Keil seit Jahren kenne und schätze. Philipp kommt von der Straße – vom Hip Hop, vom Graffiti. Er kennt sich aus und weiß, wie wichtig Authentizität und Identifikation sind.
Wie LL Cool J bereits 1990 sagte: »Don’t call it a comeback«. Man darf gespannt sein wie es weiter geht. Denn aktuell wirbt KangaROOS erneut mit Ochsenknecht. Sohn Jimi Blue agiert als Testimonial und Kollektionspate. Parallel setzt man in Pirmasens mit Permanenz auf den Combat in sämtlichen Dropsfarben. Als Laufschuh heute technisch irrelevant und als Kultobjekt fehlt es ihm an echter Klasse. Setzt man hier womöglich aufs falsche Beuteltier?
Aufmerksamkeit, Begehrlichkeit, Relevanz – das erreicht man langfristig nicht mit Reanimation und Collaboration. Vielmehr mit tollen neuen Ideen und neuen tollen Geschichten. Lasst das Känguru doch einfach mal frei springen!